Kreatin
Kreatin ist ein oft diskutiertes und umstrittenes Nahrungsergänzungsmittel in der Sportwelt. Es wird hauptsächlich in den Muskelzellen gespeichert und spielt dort eine wichtige Rolle bei der Energiebereitstellung. Eine Supplementierung mit Kreatin verspricht diverse leistungssteigernde Effekte. In diesem Artikel möchte ich dir einen Überblick über die verschiedenen Formen, Wirkung, empfohlene Einnahme und ggf. Nebeneffekte von Kreatin und dessen Supplementierung geben.
Was ist Kreatin?
Kreatin ist ein natürlich vorkommendes Molekül, das in der Leber und den Nieren produziert oder über Lebensmittel wie rotes Fleisch und Fisch aufgenommen werden kann. Im menschlichen Körper wird es hauptsächlich in den Muskelzellen als Kreatinphosphat, also in Verbindung mit einer anorganischen Phosphatgruppe, gespeichert. Außerdem ist Kreatin mit über 500 wissenschaftlichen Publikationen eines der best- und meist erforschten Nahrungsergänzungsmittel weltweit.
Die Hauptfunktion von Kreatinphosphat findet sich im Energiestoffwechsel innerhalb der Muskelzellen: Alle Prozesse im menschlichen Körper, die Energie benötigen, sind auf das Molekül ATP angewiesen. Durch die Spaltung von ATP zu ADP wird Energie frei, die im ganzen Körper für verschiedene Prozesse eingesetzt wird. Die direkten Speicher an ATP in Muskelzellen sind allerdings begrenzt und daher unter intensiver Belastung in wenigen Sekunden aufgebraucht. Durch die Spaltung von Kreatinphosphat zu Kreatin + einer freien Phosphatgruppe kann ADP wieder zu ATP synthetisiert werden, wodurch erneut Energie zur Verfügung steht. Die Kreatinspeicher in den Muskelzellen dienen also als kurzfristiges “Energiedepot”, mit dem die ATP-Speicher unter intensiver Belastung schnell wieder aufgefüllt bzw. aufrechterhalten werden können.
Aber auch die Kreatinspeicher in den Muskelzellen sind begrenzt, weshalb die Energiebereitstellung durch Kreatin besonders für kurzzeitige, intensive Belastungen wie bspw. Sprints oder Gewichtheben entscheidend ist. Dennoch hat das Phosphokreatin-System auch eine hohe Bedeutung für viele Team- und Feldsportarten, in denen wiederholt hochintensive Perioden von submaximalen unterbrochen werden: Durch einen gut ausgeprägten aeroben Stoffwechsel (“Grundlagenausdauer”) können die Kreatinspeicher in den submaximalen Perioden wiederhergestellt werden, wodurch in den hochintensiven Perioden erneut mehr Energie zur Verfügung steht.
Welche Wirkung hat eine Supplementation mit Kreatin?
Der Körper benötigt im Durchschnitt eine Zufuhr von ca. 1-3g Kreatin pro Tag. Wie zuvor bereits beschrieben kann der Körper Kreatin selber herstellen und es kann über die normale Ernährung (primär rotes Fleisch und Fisch) zugeführt werden. Allerdings sind die Kreatinspeicher innerhalb der Muskelzellen bei einer durchschnittlichen Ernährung (ca. 1-2g Kreatin / Tag) dennoch meist nur zu 60-80% gefüllt. Eine zusätzliche Aufnahme von Kreatin über Nahrungsergänzungsmittel hilft dabei, die Kreatinspeicher auf 100% aufzufüllen, wodurch die körperliche Leistungsfähigkeit von Athlet*innen gesteigert werden kann:
Vorteilen einer Kreatinsupplementation sind u.A.:
Verbesserte (wiederholte) Sprintleistung
Verstärkter Muskelaufbau durch Training
Verstärkte Zuwächse der Muskelkraft durch Training
Erhöhte Arbeitskapazität / Trainingstoleranz
Verbesserte Regeneration
Weitere potentielle Vorteile, die allerdings weiter erforscht werden müssen, sind u.A.:
reduzierter Muskelkater nach intensiver Belastung
Reduktion von Verletzungen und Muskelkrämpfen
Reduktion von Dehydrierung
Verbesserte körperliche Leistungsfähigkeit in Hitze
Verbesserte Rehabilitation nach Verletzungen
Protektiver Effekt bei Hirnverletzungen und Gehirnerschütterungen
Diese Vorteile sollten außerdem nicht nur isoliert betrachtet werden (“Person X hat mehr Muskeln / Kraft”), sondern bedeuten auch, dass der/die Athlet*in mehr und ggf. intensiver trainieren kann, wodurch die Effekte besonders über einen längeren Zeitraum verstärkt werden. Außerhalb der Anwendung für Athlet*innen hat Kreatin auch verschiedene gesundheitliche Vorteile für die Allgemeinbevölkerung, besonders im Alterungsprozess, auf die an dieser Stelle allerdings nicht weiter eingegangen wird.
Welche Nebeneffekte kann eine Supplementation von Kreatin auslösen?
Seit Kreatin in den frühen 1990er Jahren an Popularität als Nahrungsergänzungsmittel gewann, kursiert eine Vielzahl an Mythen zu möglichen Nebeneffekten, die eine Supplementation von Kreatin auslösen könne, u.A. erhöhte Wassereinlagerung in den Muskeln, Nierenschädigung, Haarausfall, Dehydrierung und Muskelkrämpfe und Zunahme von Körperfett. Mittlerweile konnten beinahe alle dieser besagten Nebeneffekte in qualitativ hochwertigen wissenschaftlichen Studien widerlegt werden.
Das IOC (“International Olympic Committee”) und die “International Society of Sports Nutrition” unterstreichen in ihren Konsenserklärungen von 2018 bzw. 2017, dass Kreatin im Rahmen der empfohlenen Einnahme eines der effektivsten und sichersten Nahrungsergänzungsmittel sei und dass für eine Supplementation sowohl bei jugendlichen als auch erwachsenen Athlet*innen keine spezifischen Nebenwirkungen nachgewiesen werden konnten.
Der wohl bekannteste Nebeneffekt einer Kreatinsupplementation ist eine erhöhte Wassereinlagerung in den Muskelzellen und eine dadurch verbundene schnelle Gewichtszunahme. Die Aufnahme von Kreatin in die Muskelzellen passiert durch natriumabhängige Ionenkanäle, wodurch kurzfristig ebenfalls Wasser in die Muskelzellen aufgenommen wird. Allerdings ist dies nur ein kurzzeitiger Effekt, der meist bei einer Ladephase von Kreatin (siehe Abschnitt “empfohlene Einnahme”) auftritt. Der Großteil aktueller Studien zeigt, dass eine Kreatinsupplementation über einen längeren Zeitraum nicht zu einer Erhöhung des Wasseranteils (proportional zur Muskelmasse) führt.
Empfohlene Einnahme von Kreatin
Während Hersteller von Nahrungsergänzungsmitteln diverse Formen von Kreatin als besser und besser vermarkten, sollte zur Supplementation Kreatinmonohydrat verwendet werden. Dies ist die meist erforschte Form von Kreatin und enthält im Gegensatz zu anderen Formen den höchsten Prozentanteil an Kreatin (87,9%). Es gibt keine wissenschaftliche Evidenz, dass andere Formen von Kreatin besser absorbiert werden; oftmals zeigen klinische Studien sogar eher das Gegenteil.
Die empfohlene Einnahme von Kreatinmonohydrat liegt bei ca. 3-5g / Tag. Dabei ist keine Ladephase und auch keine Unterbrechung der Einnahme notwendig. Eine Ladephase (20-25g / Tag für 5-7 Tage) kann zwar zu einer schnellere Füllung der Kreatinspeicher führen, dieser Effekt ist für die meisten Athlet*innen allerdings zu vernachlässigen. Eine Einnahme zusammen mit Kohlenhydraten und/oder Proteinen kann die Aufnahme ebenfalls verbessern, ist auf lange Sicht allerdings ebenfalls zu vernachlässigen.
Kreatinmonohydrat ist nur schlecht wasserlöslich, was die Einnahme ggf. etwas unangenehmer machen kann, hat aber keinen Einfluss auf die Aufnahme. Die Löslichkeit kann in warmem bzw. heißem Wasser verbessert werden.
Zusammenfassung
Kreatin spielt im Sport eine wichtige Rolle, indem es kurzfristig Energie für hochintensive körperliche Leistung liefert. Es kann als Nahrungsergänzungsmittel dabei helfen, die intramuskulären Kreatinspeicher vollständig zu füllen und kann so - neben weiteren positiven Effekten - die Sprintleistung, Muskelmasse und Muskelkraft sowie die Regeneration von intensiven Belastungen verbessern. Die Einnahme ist sowohl für jugendliche, als auch für erwachsene Athlet*innen sicher und es sind keine nennenswerten Nebeneffekte bekannt. Zur Supplementierung sollte Kreatinmonohydrat in einer Dosierung von 3-5g / Tag verwendet werden. Eine Ladephase und regelmäßige Unterbrechungen der Einnahme sind nicht nötig.
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